Entwicklungsprozess des

Leitungssatzes

Umsetzung eines durchgängigen Digitalisierungskonzeptes für die Leitungssatzentwicklung.

Ihr Ansprechpartner

Michael Buchta

Kromberg und Schubert GmbH

Herr Buchta ist Leiter des Technologie- und Forschungsmanagements

Entwicklungsprozess des Leitungssatzes

Entwicklung eines Umsetzungskonzeptes für die Integration des Digitalen Zwillings in die Wertkette des Leitungssatzes

Der Entwicklungsprozess wird als die „Wiege“ des digitalen Zwillings verstanden. Die Entwicklung von Motoren zum Beispiel hat mit dem digitalen Zwilling im wahrsten Sinne erst richtig Fahrt aufgenommen. Wo vor etlichen Jahren noch ein paar tausend Parameter für die Motorentwicklung ausreichten, sind es heute mehrere Millionen, die im digitalen Zwilling abgebildet werden. Auch für den Leitungssatz entstehen hier üblicherweise die ersten Daten, die über die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette immer weiter angereichert werden. Das Teilprojekt 2 befasst sich damit, die Abläufe des Entwicklungsprozesses für den Leitungssatz auf die Verwaltungsschale zu übertragen. Es schürft unternehmensübergreifende Datenkonzepte und prüft, wie eine kollaborative Entwicklung des Produktes Leitungssatz umgesetzt werden kann.

Kennzeichnend für den Leitungssatz ist, dass jeder Kabelbaum ein Unikat ist. Er wird in Losgröße 1 hergestellt und trägt deshalb die Bezeichnung „Kundenspezifischer Kabelbaum“ (KSK). Wegen der Variantenvielfalt ist wenig automatisiert, viel wird handgefertigt. Das spiegelt sich auch im Datenaustausch wider. Das soll sich ändern. Insbesondere in der Phase der Entwicklung kann schon der Grundstein für die Automatisierung der nachfolgenden Prozessschritte bis hin zur Montage gelegt werden. Teilprojekt 2 identifiziert die Möglichkeiten, mit denen die spätere Produktion des Leitungssatzes weitgehend automatisiert durchgeführt werden kann. Das geht hinunter bis auf die Ebene von Arbeitsanweisungen für Mensch und Maschine, der Rüstvorgänge, Erfassung von Prozess- und Qualitätsdaten, notwendige Fähigkeiten und der Dokumentation. Die Kunst ist, die vielen einzelnen Mosaiksteinchen auch aus den Teilprojekten 3 (Produktion) und 4 (Montage) so zusammenzusetzen, dass alle zusammen ein belastbares Ganzes ergeben, mit dem alle Akteure gerne arbeiten wollen.

Ziele des Teilprojektes

Ziel dieses Teilprojektes ist es genaugenommen, mit der Lupe jeden einzelnen Schritt zu verfolgen, um die Prozesse zu beschreiben, die in der Entwicklung stattfinden. Daraus werden notwendige Daten abgeleitet, beschrieben und in Teilmodellen umgesetzt. Anschließend sollen die Ergebnisse in ein Umsetzungskonzept einfließen, das zeigt, wie der digitale Zwilling in der Entwicklung des Leitungssatzes realisiert werden kann.

Aktuelle Arbeitsschwerpunkte und Ergebnisse

Fokus im TP2 auf die Entwicklungsphase des Leitungssatzes

Da Engineering-Prozesse in der Automobilindustrie grundsätzlich kollaborativ verlaufen, muss auch die Verwaltungsschale verteilt entstehen und schlussendlich zusammengefügt werden können. Der Engineering-Prozess findet bereits heute weitgehend digital statt.

Aber: Mit der Formatvielfalt umzugehen, ist eine echte Aufgabe. Das heißt - welche Daten werden wie erhoben, abgelegt, weitergegeben? In der Realität der Kabelbaumentwicklung hat man beispielsweise Schaltpläne, Kabelbaumlisten, CAD-Formate. Außerdem gibt es viele Zulieferer für ein Bauteil oder eine Komponente. Die Zulieferer haben wiederum Zulieferer etwa für die Stecker, Tüllen, Ummantelungen, Halterungen, Spezialkabel. Bereits in der Entwicklung ist deshalb der Aufwand beim Planen hoch, zumal fortlaufend Änderungen berücksichtigt werden müssen.

Das Teilprojekt 2 gliedert sich in fünf Arbeitspakete:

AP2.1 Konzept kollaboratives Datenmodell

AP2.2 Single Point of Truth

AP2.3 Prozessbeschreibung LS-Entwicklung

AP2.4 Teilmodelle Verwaltungsschale

AP2.5 Umsetzung Digital Twin

Erarbeitung eines generischen Prozessmodells

Bereits im Engineering sollen die Fähigkeiten der späteren Produktionssysteme berücksichtigt werden, sodass beispielsweise die Verwaltungsschalen eines Leitungssatzes mit den Verwaltungsschalen infrage kommender Fabriken abgeglichen werden können.

Um aufzuzeigen, wie die verschiedenen Verwaltungsschalen der unterschiedlichen IT-Systeme ineinandergreifen können, soll zudem ein generisches Architekturbild generiert werden.

Stand der Arbeiten

Arbeitspaket 2.1 Konzept kollaboratives Datenmodell:

Hier wird ein Datenmodell erarbeitet, dass ein Zusammenarbeiten von verschiedenen Wertschöpfungsteilnehmern an ein und demselben Produkt ermöglichen soll. Weiter betrachtet das Konzept des kollaborativen Datenmodells, wie der digitale Zwilling entlang der Wertkette dargestellt werden kann. Daten kommen von sehr vielen unterschiedlichen Akteuren. Diese müssen in einem standardisierten Format entgegengenommen und geliefert werden können. Eine Voraussetzung ist, dass die Informationen maschinenlesbar sind und nicht - wie in älteren Dateiformaten - Freitexte enthalten. Im Ergebnis soll dann eine Verwaltungsschale vorliegen, die die branchenüblichen Datenformate beinhaltet: KBL, VEC, JT, Step. Für den unternehmensübergreifenden Datenaustausch ist der Eclipse Dataspace Connector (EDC) vorgesehen, weil er eine einheitliche Zugriffsteuerung und eine einheitliche Verwaltung der Zugriffsmöglichkeiten bietet. Über den EDC können zwischen den einzelnen Wertkettenpartnern Datenpakete ausgetauscht und beispielsweise digitale Verträge ausgehandelt werden. Denn letztlich sollen alle Beteiligten je nach Rolle oder Vergabe eines Zugriffs die Daten benutzen. Der eine kann sie nur lesen, der nächste kann die Daten ändern oder löschen. Je nachdem, was sie für die Umsetzung eines Prozesses benötigen. Als wesentliche Ergebnisse sind die Betrachtungen bei einer dezentralen Speicherung der Verwaltungsschale zu nennen, da bei einer rein zentralen Ablage das Problem der Kollaboration auf die Versionierung der zentralen Daten beschränkt ist.

Arbeitspaket 2.2 Single Point of Truth:

Das Arbeitspaket widmet sich der Frage, wer sozusagen die endgültige Wahrheit in seinem Datensatz hat. Gemeint ist ein allgemeingültiger Datenbestand, auf den man sich verlassen kann und der als Quelle so korrekt ist, dass sämtliche angeschlossenen Systeme daraus bedient werden können. Im Anwendungsfall des Leitungssatzes bedeutet das: Die Spezifikationen müssen bei allen Zulieferern, den Verarbeitern und beim OEM immer die gleichen sein. Es muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, wo der aktuellste Datensatz einer Spezifikation hinterlegt ist. Das gilt vor allem für die dezentrale Abspeicherung der Daten, die mit der Implementierung der Verwaltungsschale und des EDCs umgesetzt werden soll. Dafür werden keine riesigen Datenhalden benötigt, auf der sich sämtliche Informationen stapeln. Sondern die Idee ist, einen Teil der Informationen beim jeweiligen Hersteller (Konfektionär, OEM) abzulegen und dann aber eine entsprechende Verlinkung vorzunehmen.

Arbeitspaket 2.3 Prozessbeschreibung LS-Entwicklung

Das dritte Arbeitspaket ist das umfangreichste, in dem die meisten Daten erhoben werden müssen. Hier geht es zunächst um die Definition der üblichen Prozesse in der Entwicklung. Eine besondere Herausforderung ist, dass jeder OEM gerne eine eigene Tool-Landschaft mitbringt, die auf seine internen Prozesse zugeschnitten ist. Das können eigene Kabelfarben sein, für solche Kabel, die nicht farbtechnisch von einer DIN-Norm erfasst sind. Die große Aufgabe ist nun: Jeder einzelne Prozessschritt muss analysiert und in Teilprozessschritte gegliedert werden. Es muss geklärt sein, wie der Bedarf an Inputdaten aussieht. Und welche Outputdaten in jedem Schritt generiert werden. Vorgaben, wie zum Beispiel die Solldaten, müssen in der Verwaltungsschale ablegt werden können und die Istdaten dort herauslesbar sein. Als wesentliche Ergebnisse sind die einheitliche Beschreibung aller wesentlichen Prozessschritte und die dazugehörigen Bedarfe (Input, Output) einer Leitungssatz-Entwicklung zu nennen. Abkürzend kann hier auf das erarbeitete Prozessabbild verwiesen werden.

Unterteilt werden die Schritte nach OEM, LS-Entwickler und Komponenten-Entwickler, wobei hier neben Stecker auch Gehäuse, Abdeckungen, angepasste Kabelkanäle und weitere Komponenten erfasst sind. Zudem wurde auch das Änderungs-Management mitberücksichtigt, da in der laufenden Entwicklung viele Veränderungen nachverfolgbar durchzuführen sind. Anhand eines gezeigten Referenzprozesses wurden die Ergebnisse finalisiert.

Arbeitspaket 2.4. Teilmodelle der Verwaltungsschale

Im vierten Arbeitspaket sollen die erarbeitetet Inhalte aus den Arbeitspaketen 2.1-2.3 in einem eigenen Teilmodell der Verwaltungsschale abgebildet werden. Bisher wurde eine Liste von allen Informationselementen, die in den Ergebnissen der bisherigen AP definiert wurden, erstellt. Im zweiten Schritt wurde ein Abgleich mit den vorhandenen Submodellen der IDTA durchgeführt, um möglichst viele Dopplungen zu vermeiden. Im Weiteren vorgehen, sollen durch den Abgleich Schnittmengen und vor allem Lücken von Informationen identifiziert werden, welche in dem Teilmodell abgebildet werden müssen.

Mit dem Arbeitspaket 2.5 „Umsetzung Digital Twin“ wurde noch nicht begonnen.

Nächste Schritte und erwartbare Ergebnisse

Eine der größten Herausforderungen ist es, die Entwicklungsprozesse im Rahmen des Teilprojekts 2 zu implementieren. Zwar untersuchen die Projektbearbeiter:innen schon jetzt, wie eine einzelne Verwaltungsschale aussehen könnte. Dennoch begegnen ihnen auf dem Weg Mengen an Datensilos, die zwar für ihren jeweiligen Einsatzzweck optimiert sind, denen aber die Anbindung an übergreifende Darstellungsweisen fehlt. Was vor allem dann schwierig wird, wenn es Richtung Produktion geht. Gemeint ist: Dass mit Hilfe des digitalen Zwillings Informationen nicht nur nach der Entwicklung abgelegt werden. Sondern in dem Moment, in dem tatsächliche Bauteile hergestellt werden, muss z. B. die minimale und die maximale Crimpkraft definiert werden, die anschließend abgeglichen wird mit dem Istwert – nämlich mit welcher Kraft der Kontakt in der Produktion tatsächlich gecrimpt wurde. Solche Zusammenhänge lassen sich mit Software-Tools beschreiben, die teilweise schon existieren.

Im nächsten Schritt wird das Arbeitspaket 2.5 begonnen mit dem Ziel den Digital Twin bis „Mitte 2024 umzusetzen. Dabei ist das Kernthema wie der Digitale Zwilling des gesamten Leitungssatzes realisiert werden kann. Dazu gehört die Erarbeitung eines generischen Prozessmodells, das am Beispiel des Leitungssatzes die Entwicklung der Verwaltungsschale zeigt. Dabei soll vor allem erreicht werden, dass schon im Engineering die Fähigkeiten der späteren Produktionssysteme berücksichtigt werden, sodass beispielsweise die Verwaltungsschalen eines Leitungssatzes mit den Verwaltungsschalen infrage kommender Fabriken abgeglichen werden können.

Als weiterer Aspekt des Engineering-Prozesses soll einerseits der Faktor "Design-to-Cost", andererseits aber auch die Erfüllung ökologischer Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden. Dabei geht es insbesondere um Bewertungen und Entscheidungskriterien, beispielsweise bei der Auswahl von Materialien, wie Recycling-Material.